Oder: Was tun bei Leistungsblockaden und Prüfungsangst?
Entspannt studieren? Schön wär’s. Spätestens seit Bologna erfordert das Studium straffe Planung, echtes Durchhaltevermögen und große Frustrationstoleranz. Eine Prüfung jagt die nächste, nur Bestnoten garantieren ein Weiterkommen.
Der ständig präsente Druck schadet besonders den nachdenklichen und sensiblen Studierenden, die oft ohnehin schon Selbstzweifel mitbringen und dadurch anfällig für stressbedingte Leistungsminderungen sind.
Mit dem zu meiner Studienzeit weit verbreiteten Ideal, studieren bedeute Persönlichkeitsentwicklung – und dazu brauche es Zeit und Ruhe, hat das nichts mehr zu tun. Noch nicht einmal besonders viel mit Intelligenz.
Das mag man bedauern, aber ändern lässt es sich zunächst einmal nicht. Was können Sie also tun, wenn Sie befürchten, dem Leistungsdruck nicht gewachsen zu sein? Wenn sich das schon in den Noten ausdrückt, vielleicht sogar in Leistungsblockaden und Prüfungsangst?
Zunächst einmal: Bitte geben Sie nicht auf! Klugheit ist nicht mit ECTS-Punkten gleichzusetzen und ein erfolgreiches Studium ist ein Marathon, kein Sprint. Es gibt viele Möglichkeiten, wie Sie aus schwierigen Erfahrungen lernen und Ihr Studium erfolgreich abschließen können.
Einen Aspekt, der meiner Erfahrung nach sehr wichtig ist, der aber oft verkürzt dargestellt wird und sich dann als problematisch erweist, möchte ich Ihnen hier vorstellen:
Ziel- und Motivationsklärung
Warum und wozu studieren Sie das, was Sie studieren? Keine banale, sondern eine ganz wichtige Frage. Es geht um die Karotte vor der Nase, die Sie durchs Studium führt. Es lohnt sich, sich damit zu beschäftigen. Denn nur wenn sie Ihnen schmeckt, wird sie Sie leiten können. Und Ihnen den Mut und die Energie geben, schwierige Studienphasen zu überstehen und am Ball zu bleiben. Und darauf kommt es zu einem nicht geringen Teil an.
„Ich wusste nicht so recht, was ich machen sollte und mit Jura kann man nichts falsch machen“. „Die Verdienstmöglichkeiten sind mit einem BWL-Studium einfach am besten“. „Als Lehrerin kann man gut Teilzeit arbeiten, wenn man mal Kinder hat“. Oder auch: „Eigentlich wollte ich Psychologie studieren, aber der NC war unerreichbar. Dann habe ich mich halt erstmal für xy eingeschrieben“.
Was tun, wenn die Motivation nicht besonders hoch ist? Wenn Sie die Frage nach dem „Warum“ Ihrer Studienwahl nicht wirklich gut beantworten können? Dann lohnt es sich, tiefer zu graben. Vielleicht gibt es einen Aspekt, der Sie dennoch interessiert. Oder ein berufliches Ziel, das ohne den Abschluss nicht erreichbar ist.
Und man muss auch nicht immer gleich wissen, wohin der Weg gehen soll. Manchmal entwickelt sich Interesse und damit Motivation auch in der Auseinandersetzung mit einem Thema.
Nur: Was wenn nicht? Was, wenn Sie sich in einem Studium wiederfinden, das einfach nicht das richtige ist? Oder das zu viel abverlangt, nicht wirklich den eigenen Neigungen entspricht? Das Problem dabei ist nicht nur das BAFÖG-Amt. Auch nicht, dass es nicht so viel Spaß macht, etwas zu studieren, das nicht so recht zu einem passt. Beides wichtige Themen. Aber es ist noch komplizierter: Wenn die Passung nicht stimmt, braucht man viel mehr Kraft, um sich zu motivieren. Und woher die Kraft zur Motivation nehmen? „Ich kann meinen inneren Schweinehund nicht überwinden“, heißt es dann oft und ist selbstabwertend gemeint. Dabei wissen wir heute, dass Willenskraft alleine für lange Durststrecken nicht ausreicht, da sie sich über die Zeit verbraucht. Ohne eine „intrinsische“, also innerlich begründete Motivation ist es schwer, Runde um Runde neue Kräfte zu mobilisieren. Zumal, wenn vielleicht einmal etwas nicht wunschgemäß verläuft, wenn eine Hausarbeit oder eine Klausur schlecht ausgefallen ist, wenn die Belohnung für all die Anstrengung auszubleiben scheint. Nicht selten entwickeln sich genau aus dieser Konstellation Leistungsblockaden und im schlimmsten Fall Prüfungsangst. Wieder Gründe, sich selbst abzuwerten – und im schlimmsten Fall aufzugeben.
Was können Sie tun, wenn die Motivation einfach nicht „intrinsisch“ oder nach langen Lernphasen abgeflaut ist? Was gegen Leistungsblockaden und Ängste tun, wenn sie das Lernen behindern? Wenn womöglich sogar der Alptraum „Studienabbruch“ am Horizont erscheint?
Eine tragfähige Motivation lässt sich in vielen Fällen entwickeln, unabhängig davon, wie man ins Studium gestartet ist. Es lohnt sich, weil es oft den Teufelskreis aus Ängsten, mangelndem Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und Vermeidung der nächsten Herausforderung unterbricht.
Wenn Sie es nicht schaffen, das Ziel Ihres Studiums und die dahinterliegende Motivation zu klären, ist es aber vielleicht Zeit für einen Schnitt. Ein Richtungswechsel in ein anderes Studium oder in eine Ausbildung ist keine Katastrophe und stellt sich im Nachhinein oft als genau das Richtige heraus – auch wenn es sich in der Zeit vor der Entscheidung meist anders anfühlt.
Bevor Sie aber über einen rabiaten Schnitt nachdenken, sollten Sie Ihre Ziele und Ihre Motivation genau überprüfen. Bitte vermeiden Sie diesen Schritt nicht aus der Befürchtung heraus, etwas Unangenehmes herauszufinden. Es geht um Klarheit, und dafür müssen Sie genau hinschauen. Folgende Fragen können Sie dabei unterstützen:
Drei Fragen, um Ihrer Motivation auf die Schliche zu kommen
Haben Sie eher eine Weg- oder eine Zielmotivation?
- Wegmotivation: Ihnen macht wirklich das Studium, der Inhalt Spaß (Gratulation!), Sie müssen höchstens ab und zu einmal darauf achten, das im Semesterstress nicht zu vergessen.
- Zielmotivation: Sie wollen den Abschluss, aber der Weg dahin ist eher mühsam. Das macht es nicht ganz einfach, sich immer wieder neu zu motivieren, ist aber trotzdem eine gute Voraussetzung, Auch hier: Machen Sie sich dieses Ziel immer einmal wieder klar, vielleicht wollen Sie es sogar regelmäßig visualisieren (Sie wissen nicht, was das ist? Googeln!)
Stellen Sie einen Wecker oder eine Stoppuhr auf 30 Sekunden (Zeitknappheit hilft oft bei der Klärung schwieriger Fragen) und schreiben Sie ohne Pause: Was gefällt Ihnen an Ihrem Studium?
- Ihnen sind nur drei oder weniger Gründe eingefallen? Vielleicht überlegen Sie doch noch einmal gründlich, warum Sie das alles auf sich nehmen. Sind Sie sicher, dass Sie das wollen? Auch hier kann es gut sein, zu schreiben, um wirklich Klärung zu erreichen. Vielleicht brauchen Sie einfach mehr Zeit und mehr Ruhe. Aber vielleicht haben Ihnen die 30 Sekunden auch alles gesagt, was Sie wissen müssen…
- Mehr als drei Gründe? Viel mehr? Super, Sie haben vielleicht weniger Motivationsprobleme, als Sie glauben. Schreiben Sie diese Gründe am besten auf eine Karteikarte und hängen Sie an einen Platz, an dem Sie sie sehen. Ein Trick, der einfach ist und oft hilft, um sich im Alltagstrott an das Wesentliche zu erinnern.
Stellen Sie sich für einen kurzen Moment so bildhaft wie möglich vor, dass Sie endgültig draußen sind. Ihr Studium ist zu Ende, Abbruch, finito. Ganz ehrlich: Was ist die allererste Empfindung?
- Erleichterung? Ich weiß, es ist leichter gesagt als getan. Aber vielleicht steht dann tatsächlich die Mutprobe an, dazu zu stehen?
- Oder eher so etwas wie Enttäuschung oder Traurigkeit? Dann lohnt es sich zu kämpfen!
Wenn diese Fragen Sie in Zweifel stürzen oder gar keine Klarheit bringen, bitten Sie doch einen vertrauenswürdigen Freund darum, sich einmal mit Ihnen zusammen zu setzen und zu brainstormen. Das ist meist viel leichter, als alleine Antworten zu finden. Und vielleicht nutzt es Ihrem Freund ebenfalls, einmal über etwas so grundsätzliches nachzudenken. Ansonsten scheuen Sie sich bitte nicht, sich an eine Beratungsstelle Ihrer Universität zu wenden. Hier kennt man die Thematik und wird Sie professionell dabei unterstützen, zu klären, welchen Weg Sie einschlagen können und vor allem wollen. Auch niedergelassene Psychotherapeuten helfen bei Ängsten und Lebenskrisen, die Kassen übernehmen meist die vollständigen Kosten.
Es geht um mehr als gute Noten
Ganz unabhängig davon, ob Sie neue Kraft finden, Ihr Studium weiter zu führen oder den Mut, es abzubrechen: Die Bewältigung von Schwierigkeiten im Studium führt häufig dazu, sich auch in anderen Bereichen des Lebens und in der eigenen Persönlichkeit weiter zu entwickeln. An Herausforderungen, wie der Überwindung von Motivationsproblemen, Prüfungsangst und Leistungsblockaden kann man wachsen und sich persönlich einen großen Schritt weiter entwickeln. Auch wenn es sich oft gar nicht so anfühlt, wenn man mitten drin steckt. Aber es lohnt sich, denn das Ziel Ihres Studiums ist ja – so hoffe ich – einen interessanten Beruf zu ergreifen, der letztlich nicht nur viel Fachwissen, sondern auch eine reife Persönlichkeit fordert. Das mag altmodisch klingen, bleibt aber dennoch richtig.3